Die Repräsentation fremder Kulturen in der Heimdekoration
von Sophie Gruber
8.4.2019

Elefanten, Buddhas und Natursteine in Wohnzimmer, Bad und Büro

Im Wohnzimmer: Afrika und Tropen

Ob Zebrastreifen und Leopardenmuster oder verschiedene Arten von Fell: Diese Muster und Materialien sollen ein Stück Exotik in die Wohnzimmer der Europäer bringen. Die mitteleuropäische Vorstellung von Afrika beschränkt sich in der Heimdekoration fast ausschließlich auf Aspekte der Natur, besonders die Tierwelt der Savanne scheint als ästhetisch ansprechend zu gelten. Beliebte Motive sind Elefanten, Nashörner, Giraffen, Kamele, Affen, Flamingos oder auch tropische Vögel, sehr häufig in bunten Farben gehalten. Auch verschiedene Raubkatzen wie Tiger oder Panther finden sich wiederholt in Deko-Elementen, wobei diese als elegant und schön geltenden Tiere oft als freistehende Figuren auftreten, während beispielsweise Zebra- und Vogelmotive meistens als Muster oder Farbkleckse eingesetzt werden.

Die Fauna Afrikas scheint für unseren Kulturraum interessanter zu sein als die Flora, dennoch sind momentan gewisse tropische Pflanzen in Mode und häufig zu sehen. Dabei kann es sich um Palmen handeln, aber auch um Kletterpflanzen, Gräser oder – im Moment besonders beliebt – einzelne sehr große Blätter, die für uns auf Kunstdrucken, Geschirr oder als tatsächliche Topfpflanze den Eindruck von Exotik, Wärme und Abenteuerlust erzeugen. Als warm und energetisierend kann auch die Farbgebung der „Afrika-Deko“ beschrieben werden: Warme, gedeckte Orange-, Beige- und Brauntöne dominieren dieses Feld, nicht umsonst ist „Camel“ im Englischen eine Bezeichnung für warmes Gelbbeige und damit wiederum ein Hinweis auf den Bezug zu unserer Vorstellung von typisch afrikanischer Ästhetik und zur Wüstentierwelt.

Es kann auch etwas zynisch erscheinen, dass wir ausgerechnet Gold mit Afrika in Verbindung bringen. Dennoch sind gerade in den Sommermonaten trendige Accessoires mit goldenen Palmblättern auf weißem oder schwarzem Grund oder beispielsweise auch farbenfrohes Geschirr mit Goldrand sehr stark vertreten in Österreichs Heimdekorationsläden.

Essentiell für die Repräsentation von Afrika scheint für die westliche Welt die Idee der „Wildnis“ zu sein. Man umgibt sich mit wilden Pflanzen, wilden Tieren, wilden Mustern, und selbst mit einer moralisch mittlerweile in Politik und Alltag stark umstrittenen Form des „Wilden“. Was sich in der Wohnungsdekoration mit afrikanischer Kultur beschäftigt, bedient sich so gut wie ausschließlich an Klischees, die mit Vorstellungen afrikanischer Primitivität einhergehen. Seien es grob geflochtene, gemusterte Körbe und Teppiche, klobige Holzschalen, gewebte Weidenäste als Schüsseln oder Rahmen, wild gemusterte Stein- oder Tongefäße oder viele weitere Naturmaterialien, überall kann man exotische Dekoartikel finden, denen diese Eigenschaften innewohnen.

Angesichts der aktuellen Cultural-Appropriation-Debatte scheint die exotische Darstellung schwarzer Menschen völlig überholt, in der Wohnungsdekoration ist der Diskurs aber offenbar nicht angelangt. Es lassen sich mühelos Figuren finden, die eindeutig „Afrikaner“ aus europäischer Sicht verkörpern sollen: zumeist langgestreckt (Kopf-zu-Körper-Verhältnis 1:9), häufig weiblich, mit wallenden, gemusterten Leinenkleidern, Turbanen, Sandalen, imposanten Ohrgehängen, diversem anderem auffälligem Schmuck und bunten Tüchern ausgestattet, tanzend oder große, runde Gefäße auf Kopf und Schultern balancierend. Man kann diese Figuren in erster Linie dort finden, wo die breite Masse angesprochen werden soll, etwa in großen, nicht besonders hochpreisigen Deko-Läden in Einkaufszentren wie dem Forum am Salzburger Hauptbahnhof (das ist die Quelle einiger der zur Demonstration angefügten Fotos) oder auch in Möbelhäusern wie XXXLutz oder Kika. Ebenfalls ästhetisch ansprechend scheinen in unseren Breiten auch diverse Riten und Traditionen zu sein, die wir mit Afrika verbinden: Masken, Totems und alternativer Körperschmuck sind Motive, die nicht selten an europäischen Wohnzimmerwänden hängen.

Die Anordnung der Produkte in Läden und ihre geringe Funktionalität lassen darauf schließen, dass Dekoelemente, die auf unsere Vorstellung von Exotik anspielen, ihren Platz zumeist in Wohn- manchmal aber auch Schlafräumen finden. Dies sind die Orte, wo die meisten Europäer der Perfektion und übermäßigen Sauberkeit einmal entrinnen wollen und sich am ehesten mit freistehenden Gegenständen, gesammelten Figuren oder bunten Farben umgeben, was etwa im Badezimmer, das von Reinheit und damit auch Minimalismus geprägt sein soll, eher unüblich ist in unserer Kultur. Das sieht man an der medialen Darstellung von „Afrika“-Deko, zum Beispiel an der Verwendung von Begriffen wie „Style-Safari“ (dieser Ausdruck vermittelt einen Eindruck von Abenteuer und bunt gemischten Stilelementen) oder der Positionierung von Modellen in der „afrikanisch“ eingerichteten Wohnung in entspannt-ausgeglichener Körperhaltung, bloßen Füßen und bequemer, bunt gemusterter „Homewear“-Kleidung.

Afrika steht hierzulande offenbar in erster Linie für Freiheit, Ungezwungenheit, Gemütlichkeit und Naturverbundenheit. Vorstellungen von Exotik erlauben es, in der Gestaltung unserer liebsten Aufenthaltsorte auch einmal verrückter, kitschiger und farbenfroher zu sein und dennoch nicht dem Stigma der Geschmacklosigkeit zu unterliegen. Mit Exotik wird Schokolade, Kaffee, ausgelassenes Tanzen und Singen und bloße Füße verbunden; mit Afrika umgibt sich, wer sich auch solchen kleinen Sünden hingeben und entspannen will.

Im Badezimmer: Orient und Asien

Zwischen der Repräsentation von Afrika und Asien in der Wohnungsdekoration besteht ein großer Unterschied: Die westliche Welt gewinnt der afrikanischen Natur etwas an Ästhetik ab, sobald es aber um Asien geht, tritt die Natur in den Hintergrund und die Kultur wird imitiert und dargestellt. Afrika erscheint uns aufgrund seiner Wildheit exotisch, Asien aufgrund seiner Kultiviertheit. In erster Linie orientiert man sich hierbei an vermeintlich typisch asiatischen Werten wie Ruhe, Weisheit und Reinheit, deren Ursprung vermutlich vor allem in unserer Vorstellung der Tradition buddhistischer Tempel, der Badehäuser und Teezeremonien liegt. Bei der Auseinandersetzung mit Asia-Deko entsteht außerdem der Eindruck, dass hier nicht das moderne Asien im Fokus liegt, die Ästhetik spielt nicht auf Leistungsdruck, Großstädte oder technologischen Fortschritt an, sondern auf Traditionen und uralte religiöse Symbolik.

Vermeintlich asiatische Einflüsse findet man vorwiegend im Bereich der Badezimmerdekoration. Hier gibt es eine große Auswahl an asiatisch anmutenden Symbolen und Gegenständen, wie Duftstäbchen, Magnolien, Orchideen, Wasserlilien, Elefanten, Yin Yangs und vor allem Buddhas, oft in Kombination mit Steinschalen, beispielweise gefüllt mit kleineren runden Steinen, in die manchmal harmoniebringende Begriffe wie „Familie“, „Freundschaft“, „Liebe“ und „Ruhe“ eingraviert sind. Diese Art der Dekoration wird mit Schlagwörtern wie Entspannung, Harmonie und Sauberkeit beworben, die vorwiegenden Farben sind hell, meist Weiß-, Beige-, Rosa- oder Grautöne. Laut Schöner Wohnen „reichen die Farben des asiatischen Einrichtungsstils von den zarten Pastelltönen Japans über gedeckte Farben des Festlands bis hin zur leuchtenden Farbenpracht des indischen Subkontinents“.

Abgesehen von der Fülle an freistehenden Figuren, vor allem Buddhas oder auch hinduistische Gottheiten, ist die Badezimmer-Deko im „asiatischen“ Stil sehr minimalistisch und ordentlich. Diese Form von Raumgestaltung wird häufig sehr ernst genommen, man spricht ihr eine positive Energie zu, Auswirkungen auf alle Bereiche des Lebens, die Reinigung von Körper und Geist. Ein Exkurs in die Welt des Feng-Shui erlaubt einen Einblick in solche Philosophien. Ein Beispiel für eine Anleitung, den Energiefluss im Wohnbereich positiv zu beeinflussen, findet man zum Beispiel im Blog von Rituals. Besonders die Vorstellung von äußerlicher und innerlicher Säuberung trägt dazu bei, dass die europäische Vorstellung von Asien ihren Einzug im Badezimmer hält.

Es könnte an dieser Stelle die Behauptung aufgestellt werden, dass sich die scheinbare Verbindung von Asia-Flair mit Sauberkeit womöglich auf die Jahrhunderte alte Kultur der Badehäuser und Riten wie dem momentan sehr beliebten Ikigai, die zu Harmonie und Wohlbefinden beitragen sollen, zurückführen lässt.

Die Vermischung von Lebenskunst und Innenraumgestaltung kann anhand des Online-Versands für „japanische“ Deko-Elemente Oryoki verdeutlich werden. Dort werden folgende Aspekte der Lebenskunst angeführt, die sich laut Hersteller auf die japanische Art der Heimdekoration auswirken:

„Überall ist Zen. Und wo Zen ist, ist Aufmerksamkeit. Wer sich mit der Lebensart in Japan beschäftigt stößt unweigerlich auf […] Gegensätze. Großstadt, Schnelligkeit, […] und dann die Ruhe, mit der ein Ikebana Künstler seine Blumen steckt. […] Vielleicht ist auch diese Kunst, sich der einen Welt zu entziehen und sich der anderen vollkommen hinzugeben, ein Grund für die hohe Lebenserwartung der Menschen in Japan.“

Sucht man im Internet gezielt nach orientalischer Dekoration, landet man sehr häufig bei Duftartikeln, wie Räucher- oder Duftstäbchen und schließlich auch Seifen oder Raumsprays. Der Internetauftritt des Unternehmens Rituals ist in diesem Zusammenhang besonders aufschlussreich. Dort werden ebensolche „orientalischen“ Düfte, aber auch Yoga-Kleidung hergestellt und vertrieben. Man kann unzählige Blogeinträge finden, die einen Lebensstil vorstellen und bewerben, der inspiriert ist von europäischen Vorstellungen asiatischer Kultur. Es geht hier um die energetische Wirkung der Einrichtung, Feng-Shui, Yoga, Meditation und andere ‚Rituale‘, die zu Entspannung, Harmonie und Ruhe beitragen sollen. Bei Rituals riecht das asiatisch inspirierte Zuhause nach „Happy Buddha“, „Ayurveda“, „Sakura“, „Karma“, „Namasté“ oder „Dao“, also nach Kirschblüten, weißem Lotus, Reismilch oder Yi yi ren, wobei die Unaussprechlichkeit und Unverständlichkeit gewisser Namensgebungen das exotische Weltenbummler-Flair noch intensivieren.

Auffällig ist, dass sich diese Form der Raum- und Raumduftgestaltung mehr noch als alle anderen besprochenen Stile fast ausschließlich an Frauen richtet. In 100 der Reihe nach betrachteten Rituals-Blog-Titelbildern finden sich 65 Fotos von Frauen oder Mädchen, 13 Abbildungen von Männern (darunter der CEO des Unternehmens), und nur einen Mann, der Yoga praktiziert. In den 22 übrigen Bildern sind keine Menschen zu sehen, sondern orientalische Gerichte zu denen der Blogeintrag das Rezept liefert oder Innenraumgestaltungen. Rituals hat aber auch Düfte und Rasierwasser für Herren im Sortiment, ebenfalls in edlen, minimalistischen Glasflakons; sie haben dann Namen wie „Roi d’Orient“, „Bleu Byzantin“, „Sultan de Muscat“ oder „Maharaja d’or“ und riechen nach Pinie, Sandelholz, Moschus, Eukalyptus, weißem Pfeffer und Kardamom. Diese sind aber auch in aufwendigen Geschenkverpackungen erhältlich und richten sich ebenfalls an die zum Großteil weiblichen Konsumentinnen.

In anderen Wohnbereichen, wie dem Wohn- oder Schlafzimmer, verschiebt sich die Motiv- und Farbauswahl von den hierzulande verbreiteten Vorstellungen vom feinen, meditativen, sauberen und modernen Ostasien – insbesondere Japan – zum als bunt, geheimnisvoll, kreativ und abenteuerlich geltenden Orient – insbesondere Indien. Hier findet man viele bunte Farben, Gelb, Pink, Blau oder Dunkelrot, detailreiche Muster, vor allem Mandalas, Wandbehänge, Teppiche und Polstermöbel. Zahlreich vertreten ist eine zwiebelturmartige, spitz zulaufende Form, die sich im Bereich der Lampen, Spiegel und Regale finden lässt. Möbel bestehen überwiegend aus exotischen Hölzern, zum Beispiel Mango, Teak oder Mahagoni oder laut Schöner Wohnen auch Sandel- und chinesischem Ulmenholz und sind nicht selten knallbunt lackiert.

Sehr beliebt bei der jüngeren Generation sind momentan farbenfrohe Wandbehänge und große Tücher mit runden Mandalas darauf, die die traditionellen persischen Teppiche langsam ablösen. In Kombination mit Lichterketten und eindrucksvollen Sammlungen von bunten Kissen kann man diese Mandala-Tücher an den Wänden über den Betten vieler Pinterest- und Instagram-Blogger hängen sehen. Manchmal in Kombination mit Begriffen wie „psychedelic“ werden solche „indisch“ gemusterten Stoffe vor allem im Internet, zum Beispiel auf Etsy, und in sozialen Netzwerken angepriesen, häufig kann man sie dort finden, wo vorwiegend junge Menschen nach alternativer, veganer Fairtrade-Dekoration suchen. Auf solchen Seiten gibt es dann auch häufig Haremshosen, Leinen-Turnbeutel und Traumfänger zu kaufen. Beliebte Symbole sind Lebensbäume, Schutztiere, „traditionelle“ ethnische Muster und Weltkarten. Die Vermarktung dieser Produkte und die Gestaltung der Websites lässt darauf schließen, dass diese Symbolvielfalt dazu dient, das eigene Zuhause als Rückzugsort eines modernen, offenen Weltenbummlers zu inszenieren. Der „orientalische“ Stil wird allerdings nicht ausschließlich als alternativ und interessant, sondern auch als edel und luxuriös beworben.

Mandalas findet man auch bei diversen Möbeln wieder, außerdem erwähnenswert für die Kategorie Orient sind Lampions aller Art, seien es „typisch chinesische“ bunte Lampions oder ballonförmige Lampenschirme mit Zwiebelturmelementen in Metalloptik. Hier findet wiederum eine Vermischung der diversen in diesem Kapitel behandelten Kulturen statt, die eigentlich chinesischen Lampions werden durch orientalische Ornamente erweitert und stehen plötzlich für ein viel allgemeineres Bild von Exotik. Um diese Verschiebung vom fernen Osten in den Orient zu beobachten, vergleiche man beispielsweise die chinesischen Lampions und die Hängeleuchte „Istanbul“.

Ebenso werden die „indischen“ Mandalas durch die typisch „japanischen“ Elemente Minimalismus, Metall und die Farben Schwarz und Weiß ergänzt. Daraus entsteht ein Schrank, der ein generell „asiatisches“ Flair in die europäischen Innenräume bringt, aber keiner spezifischen Kulturvorstellung mehr zugeordnet werden kann.

Am Arbeitsplatz: Skandinavien, nordisches Design

Nach der Exkursion in entfernte Teile der Welt kommen wir nun in Europa an, und tatsächlich lässt sich in der „skandinavisch“ anmutenden Deko mehr Eigen- als Fremddarstellung feststellen. Im Gegensatz zu Afrika und Asien wirkt Nordeuropa auf uns augenscheinlich sauber, fortschrittlich und funktional. Der skandinavische Einrichtungsstil, hierzulande natürlich auch aufgrund der Beliebtheit des Möbelhauses Ikea auf dem Siegeszug, zeichnet sich durch Unkompliziertheit aus. Unaufdringliche Möbel, aufgeräumte Flächen, wenige optisch ansprechende Designer-Accessoires und die alles dominierende Farbe Weiß kommunizieren, dass es sich hier um einen Lebensraum für fleißige, moderne Freigeister handelt, die in ihrer Produktivität natürlich nicht auf allumfassende Sauberkeit und geschmackvoll minimalistische Deko-Elemente verzichten wollen.

Im nordischen Stil ist jeder Gegenstand ausgeklügelt und praktisch, besteht nur aus dem Essentiellsten und ist dennoch reizvoll für das Auge des Europäers. Daher treffen weiße Wände, die sich je nach Lebenslage neugestalten lassen, auf neutrale Möbel und Lampen, ebenfalls meist schwarz, grau oder weiß gehalten. Naturmaterialien wie Holz und Stein stehen im natürlich perfekt ausgewogenen Kontrast zu Sichtbeton und Kunststoff. An Teppichen, Vorhängen, bunten Farben und ähnlichen Überfluss wird gespart, stattdessen werden funktionale Gegenstände wie Küchenutensilien und Bücherbestände dekorativ in Szene gesetzt.

Generell steht der offene Wohnraum mit sehr dominanter Küche im Fokus, was natürlich in erster Linie mit der Bedeutungsschwere des skandinavischen Stils in Bezug auf Lifestyle zu tun hat. Ein schöner, aufgeräumter, lichtdurchfluteter Arbeitsplatz soll Betrachtern kommunizieren, dass hier tatsächlich ordentlich gearbeitet wird, eine weitläufige Küche mit unzähligen Regalen voller Küchenutensilien wiederum sagt viel über die vermeintlichen Kochkünste und den Fleiß des Eigentümers im Haushalt aus .

Auf moderne Weise kreativ an diversen Gehängen befestigte Topfpflanzen und freischwebende Kleidungsstücke sind ein Beweis für die Aufgeräumtheit und Geistesgegenwart der Person, die sich um diese Pflanzen und Kleider regelmäßig kümmert und es schafft, sie jederzeit so in Schuss zu halten, dass sie in offenen Konstruktionen präsentiert werden können.

Der skandinavische Stil strahlt Effizienz, Kreativität und Fortschritt aus. Demnach lässt er sehr viel freien Raum und spielt mit Lichtwirkung, dafür sind großflächige Fensterfronten entscheidend, und natürlich auch ein Minimum an lichtschluckender Einrichtung. Für etwas Wärme und Gemütlichkeit in solch kühlen, auf das Wesentliche beschränkten Verhältnissen sorgen frische Blumen, Kamine inklusive rustikaler Brennholzstapel oder gepolsterte Ohrensessel in modisch-kräftigen Farben. Dabei ist wichtig zu berücksichtigen, dass die Farbauswahl stark eingeschränkt ist: Das bereits erwähnte Camel und Senf-Gelb liegen im Trend, ebenso alle erdenklichen Grün- und Beigetöne, was wiederum mit der Demonstration von Naturverbundenheit zusammenhängt, und in wenigen Fällen sehr bewusst eingesetzte kühle Blautöne oder Ziegelrot für ein individuelles, kreatives Erscheinungsbild durch die liebevolle Gestaltung kleiner Details .

Essentiell für den „Scandi-Style“ ist die sparsame Einstreuung von Designer-Objekten, in erster Linie von Stühlen oder Lampen, welchen eine individuelle und wohlüberlegt-ausgeklügelte Optik innewohnt. Beliebte Materialien sind wieder Metall, Holz oder Beton(-optik), gerade Lampen sind oft grafisch, ungewöhnlich gehängt oder zeichnen sich durch gut sichtbare Kabel oder Birnen aus, wodurch sich wiederum Klarheit und Funktionalität demonstrieren lassen. Stühle sollen praktisch und stapelbar sein und dennoch ein Gestell aufweisen, das komplex genug ist, um als besonders intelligent und einzigartig hervorzustechen.

Mit der Einrichtung kommunizieren

Durch Heimdekoration inszenieren wir uns als die Person, als die uns unsere Mitmenschen wahrnehmen sollen (oder teilweise auch wir selbst, wenn uns beispielsweise eine Buddha-Figur im Bad daran erinnert, dass wir eigentlich gerne ein gelassener, harmonievoller Mensch wären). Teils geht es bei der Innenraumgestaltung darum, sich als aufmerksamen, fleißigen Menschen am Puls der Zeit darzustellen, indem man saisonale Deko einsetzt und je nach Anlass neu dekoriert. Teils soll den Mitmenschen kommuniziert werden, dass uns und unserem Heim eine gewisse Persönlichkeit, ein Lebensstil oder guter Geschmack innewohnt. An diesem Punkt kommt die Aneignung fremder Kulturen ins Spiel.

Wer sich „afrikanisch“ gibt, möchte einen unkomplizierten, entspannten Freigeist darstellen. „Asiatisch“ inszeniert sich, wer reinlich, harmonisch und gelassen erscheinen will, und wer Arbeitsethos und Effizienz in allen Lebensbereichen betonen möchte, richtet sich „skandinavisch“ ein. Durch die Inneneinrichtung kommuniziert man mit seinen Gästen. Ist es Ihnen heute wichtig, Ihren Arbeitskolleginnen und -kollegen zu imponieren? Dann sorgen Sie mit hellen Farben, weißen Möbeln und einem unnatürlich aufgeräumten, leeren Arbeitsplatz inklusive Designer-Stuhl dafür, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen Sie unterbewusst als unkompliziert, fleißig und modern wahrnehmen. Diese Aufgabe übernehmen allerdings bereits jene Medien, die dieser Arbeit als Quellen dienen: Den Konsumentinnen und Konsumenten wird eindrücklich mitgeteilt, wie sie ihr Heim zu gestalten haben, wenn sie sich mit einem Lifestyle identifizieren. Wer sich für Yoga und fettarme Quinoa-Gerichte interessiert, besorge sich mit Shoji-Papier bespannte Raumteiler, eine Buddha-Statue und Duftstäbchen, die nach Yi-Yi-Ren riechen.

Eine tragende Rolle spielen in diesem Zusammenhang die sozialen Netzwerke, insbesondere das derzeit wichtigste Repräsentationsmedium: die Plattform Instagram. Auf Instagram wird das private Leben präsentiert, wie wir es unseren Mitmenschen wiedergeben wollen. Durch formale Regelungen, insbesondere das einheitliche quadratische Format, verschiebt sich die Art und Weise, wie wir die Einrichtung unseres Heims nach außen tragen: als hochästhetischen Ort, der als Ausdruck der Persönlichkeit empfunden werden soll. Dabei muss der Wohnraum auf Instagram nichts mehr mit dem tatsächlichen Lebensraum zu tun haben, sondern er wird vielmehr zur Kulisse, die geschmackvoll in Szene gesetzt wird. So wird der Selbstdarstellung durch Heimdekoration eine ganz neue Bedeutung zuteil.

 

Literatur und sonstige Quellen

Baxter, C. (29. September 2017). A Scandinavian Style Office. Space Cultivates Creativity. Abgerufen von: http://modernsanctuary.life/scandinavian-style-office-space-cultivates-creativity/ [Website erloschen]

Kastner, J. (15. Oktober 2017). Was ist kulturelle Aneignung?. Abgerufen von: https://www.deutschlandfunk.de/popkultur-debatte-was-ist-kulturelle-aneignung.1184.de.html?dram:article_id=397105

Stein, M. (23. April 2012). Wie die Wilden. Aufgerufen von: https://www.sueddeutsche.de/stil/modetrend-ethno-muster-wie-die-wilden-1.1337519.

Ohne Verfasser (17. März 2017). Skandinavisches Design. Minimalismus trifft Funktionalität. Abgerufen von: https://trendomat.com/innenarchitektur/skandinavisches-design-minimalismus-trifft-funktionalitat/

Ohne Verfasser (ohne Datum): Finnweh. https://finnweh.de/

Ohne Verfasser (ohne Datum): Schöner-Wohnen. https://www.schoener-wohnen.de/einrichten/28437-rtkl-asiatischer-einrichtungsstil.

Ohne Verfasser (ohne Datum): Oryoki. https://oryoki.de/japanische-deko.

Ohne Verfasser (ohne Datum): Rituals. https://www.rituals.com/deu-at/magazine