Mode November
von Marie Helbing
21.11.2015

Model- und Musikstars

Das Video zu George Michaels Hit „Freedom ῾90“ machte die Models Naomi Campbell, Linda Evangelista, Christy Turlington, Tatjana Patitz und Cindy Crawford im Jahr 1990 zu Superstars. Es zeigt die Models singend in Einzelsequenzen – Ausnahme bildet das Duo Linda Evangelista und Christy Turlington, die in einer Szene gemeinsam erscheinen –, während George Michael ihnen seine Stimme leiht. Das Video geht auf das im Januar 1990 erschienene Cover der britischen Vogue zurück, auf dem die fünf Models, porträtiert durch Peter Lindbergh, zu den „Faces of the Nineties“ erklärt wurden.

1992 folgte „Too Funky“. In diesem Video wird die Szenerie einer Modenschau sowie das Treiben im Backstage-Bereich imitiert. Der französische Modedesigner Thierry Mugler entwarf nicht nur die extravaganten Kostüme für das Video, sondern bestimmte auch die Models. Seine Wahl fiel auf Nadja Auermann, Eva Herzigova, Emma Sjöberg, Estelle Hallyday, Shana Zadrick, Tyra Banks, Beverly Peele und Emma Belfour.

Während George Michael im Video zu „Freedom ῾90“ gar nicht zu sehen ist, wirkt er in „Too Funky“ als Mann hinter der Kamera, der die Models offensichtlich inszeniert. Die Models sind nicht nur dekoratives Beiwerk, die den Musiker umgarnen – wie beispielsweise Helena Christensen in dem Musikvideo zu Chris Isaaks „Wicked Games“ (1991), sondern avancieren zu den neuen Popstars der 1990er Jahre. Wollte ein Designer Aufmerksamkeit erlangen, musste er nur die Supermodels über den Laufsteg schicken. Gianni Versace ließ zur Musik von „Freedom ῾90“ gleich alle Protagonistinnen des Videos laufen – mit dem Risiko, dass die Models zum Hauptereignis der Modenschau werden und die Mode zur Nebensache.

Ihre Weiterführung hat die massenmediale Verbindung von Mode und Musik in den jährlichen Modenschauen des Unterwäsche-Labels Victoria᾿s Secret gefunden, einem der großen weltweiten Medienspektakel.  Die Modenschau scheint das Video zu George Michaels „Too Funky“ direkt auf die Bühne zu holen. Auch wenn die großen Modehäuser sich längst von dem Supermodel-Konzept verabschiedet haben, garantiert der Auftritt bei Victoria᾿s Secret zumindest den Aufstieg in die Marketing-A-Liga der Models – und den Musikern die Möglichkeit, die aktuelle Single mit besonders großer Reichweite zu bewerben.

Rihanna hingegen ist nicht nur in den Musikcharts, sondern auch im Modebusiness höchst erfolgreich. Bereits 2013 fungierte sie für die britische Highstreet-Kette River Island als Designerin, präsentierte mehrere Kollektionen und wurde im selben Jahr mit dem Fashion Icon Award des Council of Fashion Designers of America (CFDA) ausgezeichnet. 2015 ernannte sie von Puma zur weltweiten Markenbotschafterin des „Women᾿s Training“-Bereichs, dessen Kreativdirektorin sie zugleich ist.

Für die Unternehmen sind die Kooperationen mit dem Star in vieler Hinsicht ein Erfolg. Die letzte Kollektion von Rihanna für River Island, die 80 Teile umfasste, war binnen kurzer Zeit ausverkauft – ebenso das für Puma entworfene Schuhmodell „Creepers“, welches im Frühjahr 2015 auf den Markt kam. Puma, das in den letzten Jahren mit Umsatzschwierigkeiten zu kämpfen hatte, ist mit der Kooperation nicht nur ein starker Image-Gewinn gelungen. Rihanna inszeniert sich auch außerhalb der eigentlichen Puma-Kampagne äußerst werbewirksam und spricht als Identifikationsfigur mit ihrem sportlich-eleganten Stil präzise eine der umsatzstärksten Zielgruppen an; vor allem für junge Frauen ist ihr Lebensstil nachahmenswert. In dem Wissen, etwas zu tragen, was vermeintlich von der der Sängerin stammt, kaufen Fans die Kollektionen, die den Stil der Sängerin aufgreifen, um sich ihr näher zu fühlen und am medial vermittelten Lebensgefühl des Stars teilzuhaben. Die Sängerin wird somit zum idealen Werbeträger – eines Models bedarf es nicht mehr.

Auch die Sängerin profitiert selbstverständlich, ermöglicht ihr doch die Zusammenarbeit eine Präsenz, die über den Bereich der Musik hinausgeht. Zuletzt wurde bekannt, dass die Sängerin die Agentur Fr8me mit dem Fokus Styling gegründet hat, die sich auf Werbekampagnen, Fotostrecken für Modemagazine und den großen Auftritt von Stars auf dem roten Teppich konzentrieren will. Damit rundet sie ihr Profil weiter ab. Es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis ihre eigene Modemarke auf den Markt kommt. Den Namen dafür hat sie sich im Übrigen bereits schützen lassen.

 

Marie Helbing ist Doktorandin am Seminar für Kulturanthropologie des Textilen an der TU Dortmund und forscht zu den Themen Berliner Konfektion, Geschichte der Modenschau, Mannequins, Konsumkultur.