Pop: Aktuelle Definitionen und Sprachgebrauch
von Thomas Hecken
8.9.2012

Fremde und eigene Ansätze und müßige Betrachtungen

1. Institutioneller und alltäglicher Sprachgebrauch

In Diskussionen hört man oft, Pop, das sei schwierig zu definieren. Die Aussage ist verständlich, aber falsch. Viele hundert Varianten zeigen im Gegenteil, dass es äußerst leicht ist, Pop auf einen definitiven Begriff zu bringen. Schwierig ist es offenkundig nur, sich mit einer Definition so durchzusetzen, dass sie den Sprachgebrauch der meisten anderen Sprachteilnehmer prägt.

Der Sprachgebrauch selbst besteht natürlich nicht allein aus Aussagen, die auf einem klar definierten Begriffsarsenal beruhen. Definitionen kann man vom üblichen Sprachgebrauch her zumeist allenfalls ableiten. Dennoch ist dieser nicht-definitive Sprachgebrauch oftmals viel wichtiger für die Arten und Weisen, die Welt und/oder die Semantik aufzubereiten und zurechtzuschneiden. Das gilt vor allem für den Sprachgebrauch von mächtigen Institutionen. Hier einige Beispiele dafür:

– Die Billboard-Rangliste »Pop Songs« (auch »Mainstream Top 40« genannt) versammelt die in einer Woche bei über hundert bestimmten Radiostationen meistgehörten Stücke (andere Billboard-Charts laufen 2011 unter den Titeln »R&B/HipHop«, »Latin«, »Country«, »Rock«, »Dance/Club Play«).

– Medienkonzerne weisen teilweise ähnlich gegliederte Abteilungen aus: beim deutschen Arm der Universal Music Group (Vivendi) etwa gibt es den Zweig »Universal Music Domestic Pop« und davon abgesetzt »Universal Music Domestic Rock«. »UDP steht für Pop/Mainstream, UDR für Rock/Urban«, erläutert die Homepage der Firma. Die Pop-Abteilung (UDP) betreut u.a. A-HA, Adoro, André Rieu, Christina Stürmer, DJ Ötzi, Hermes House Band, Ich + Ich, Juli, Kurt Krömer, Lena, Mia, Paul van Dyk, Reamonn, Rosenstolz, Sascha Grammel, Schiller, Silly, Tokio Hotel, Vicky Leandros, die Rock-Abteilung (UDR) Culcha Candela, Die Ärzte, Element of Crime, Jan Delay, Mando Diao, Polarkreis 18, Rammstein, Selig, Sportfreunde Stiller, The Prodigy, Unheilig.

– Der Internet-Händler Amazon unterteilt Musik in »Pop« (über eine Million Waren), »Rock« (über 250.000), Alternative« (über 150.000), »Metal&Hardcore« (fast 80.000), »Klassik« (gut 60.000) etc. Pop wiederum weist bei Amazon verschiedene Unterabteilungen auf (etwa »Disco«, »Pop-Rock«, »New Wave«, »Folk-Pop«).

– Ein Verein wie die Verwertungsgesellschaft American Society of Composers, Authors and Publishers schützt die Rechte seiner Mitglieder u.a. in der übergreifenden Abteilung »Pop/Rock«, abgetrennt von »Concert Music«, »Nashville«, »Rhythm&Soul«, »Christian« etc. Das deutsche Pendant GEMA unterscheidet bloß zwischen »E«- und »U«-Musik, sortiert dabei Pop grundsätzlich unter »U« wie »unterhaltend« ein (auf Antrag kann ein Gremium allerdings Popstücke als »ernst« einstufen, was Konsequenzen für die Tantiemen-Ausschüttung hat). Abgeleitet ist die Ungleichbehandlung vom deutschen Urheberrechtswahrnehmungsgesetz, in dessen § 7 es heißt: »Die Verwertungsgesellschaft hat die Einnahmen aus ihrer Tätigkeit nach festen Regeln (Verteilungsplan) aufzuteilen, die ein willkürliches Vorgehen bei der Verteilung ausschließen. Der Verteilungsplan soll dem Grundsatz entsprechen, dass kulturell bedeutende Werke und Leistungen zu fördern sind.«

– Demselben Grundsatz unterliegen auch die deutschen öffentlich-rechtlichen Medienanstalten. Bei ihnen ist Pop jedoch neuerdings offiziell zum wichtigen Kulturgut aufgerückt. Der ZDF-Spartenkanal ZDFkultur (vor der Umwandlung im Mai 2011: Theaterkanal) sieht sich auf seiner Internetseite programmatisch als »Spiegelbild eines veränderten Lebensgefühls und Kulturverständnisses, das die Trennung zwischen Hoch- und Popkultur aufhebt«. Lapidar lautet der nächste Satz: »Ein wesentliches Element des Programms ist Popmusik mit Stilrichtungen wie Indie-Rock und -Pop, Heavy Metal, Hip-Hop, Jazz oder Electronic.«

– Auch konservative Organe verschließen sich dem nicht, schon gar nicht auf ihren Internetseiten; auf der Website der FAZ steht in der Feuilleton-Rubrik »Pop« alphabetisch unter »Bücher«, »Bühne und Konzert«, »Kino«, »Kunst«, »Kunstmarkt«, »Medien«, gefolgt von »Debatten«, «Forschung und Lehre« sowie »Geisteswissenschaften«.

– In Schulen und Universitäten ist das keine Neuigkeit, dort lehrt man nicht nur »Popmusik« und seit einigen Jahren auch »Popliteratur«, sondern natürlich auch jene »Pop-Art«, die schon lange in den führenden Museen moderner Kunst zu Hause ist. Großen Widerstand, für eine ganze Reihe an Pop-Phänomenen pädagogische Zeit, öffentliche Räumlichkeiten und Steuergelder zur Verfügung zu stellen, gibt es momentan keinen mehr.

Die Zitate und Angaben belegen unmissverständlich: Nicht nur wird der Begriff oft gebraucht, es handelt sich auch um ein Wort von einigem Gewicht. Deshalb ist es nicht bloß eine akademische Pflichtübung, sich Gedanken darüber zu machen, in welchem Sinne es ausgesprochen oder niedergeschrieben wird. Der angegebene institutionelle Sprachgebrauch zeigt, dass »Pop« überwiegend in deutlich artikulierter Abgrenzung fassbar wird. Pop wird unterschieden von Rock und Klassik, aber auch direkt von Hochkultur, aus zufälligeren Gründen auch von Kino (die Stelle, an der Pop-Kino stehen könnte, ist belegt von »Hollywood-Kino«); die gefundenen Abgrenzungen finden demnach zum Teil in verschiedenen Bereichen statt bzw. konstituieren solche Bereiche. Zumeist verschafft einem dann ein Beispiel bzw. die Praxis, unter dem Begriff diverse Waren, Artikel, Werke zu versammeln, weitere Klarheit darüber, wie das Wort verstanden werden soll.

Ob die hier angeführten Sprachbenutzer jeweils angeben könnten, mit welcher Bedeutung sie genau »Pop« sagen oder hinschreiben, ist mehr als zweifelhaft. Dennoch stellt es für sie kein Problem dar, die Welt in Pop und Rock, Pop- und Hochkultur etc. zu scheiden. Bedeutsam ist für sie offenkundig die Aufteilung nach Musiksparten sowie die Trennung von Kultursphären, wobei heute nicht mehr wie zumeist früher mit der Trennung automatisch eine bestimmte Hierarchisierung (Hoch- über Popkultur, Rock über Pop) verbunden sein muss.

Zusammensetzungen wie »Pop-Art« und »Popliteratur« machen zudem deutlich, dass Pop nicht nur in einer Kunstgattung zu finden ist. Bei »Popliteratur« handelt es sich vorwiegend um eine deutsche, feuilletonistische wie germanistische Besonderheit, international und alltagssprachlich firmiert dagegen die Pop-Art. Und selbst wer von bildender Kunst überhaupt keine Ahnung hat, weiß höchstwahrscheinlich, dass »poppige« Farben bunte, grelle, unmodulierte Farben sind, ebenso wie er weiß, dass die Rede von einem »politischen Popstar« auf dessen Showqualitäten und sein Vermögen, viele Menschen für sich zu gewinnen, zielt. Nicht wenige werden auch wissen oder ahnen, dass die Qualifizierung als Popstar in diesem Zusammenhang keineswegs ein Lob darstellen muss; die ältere Assoziation von »Pop« mit »kommerziell«, »seicht«, »oberflächlich« ist zwar heute nicht mehr in dem Maße gängig wie noch in den 1970er Jahren, sie hat sich aber noch nicht ganz verloren.

Im Sprachgebrauch vieler Akademiker, Künstler, Journalisten, Lektoren und der besonders kunst- und kulturinteressierten Museumsgänger, Musikhörer, geisteswissenschaftlichen Studenten etc. schlägt sich die weitgehende, wenn auch längst nicht vollständige Aufwertung von Pop nieder. Bei ihnen hat sich über viele historische Wege Richard Hamiltons frühe Bestimmung, was »Pop Art« sei, recht gut durchgesetzt. Unter dem zu seiner Zeit noch ganz ungewöhnlichen Begriff versammelte Hamilton in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre elf Eigenschaften. »Pop Art« ist seiner Anschauung und Begriffsbestimmung nach »Popular (designed for a mass audience) / Transient (short-term solution) / Expendable (easily forgotten) / Low cost / Mass produced / Young (aimed at youth) / Witty / Sexy / Gimmicky / Glamorous / Big business« (Hamilton [1957] 1982).

Was man an einigen Worten aus der Liste (young, witty, sexy, glamorous) bereits erahnen kann, geht aus weiteren Schriften Hamiltons klar hervor: Dass diese flüchtige, massenproduzierte, billige, hochkommerzielle Produktion für ihn kein Schund ist, sondern, wie das »Art« hinter »Pop« bei ihm eben sagt, eine Kunst, eine nicht selten mit raffinierten, eleganten, ansprechenden Mitteln hergestellte Kunst, die wenig oder nichts mit der älteren Volks- oder biederen Kitschkultur gemein hat. Den Vorrang der Pose, der Künstlichkeit, der Oberflächlichkeit, der Image-Verdichtung, der Berücksichtigung modernster Medientechnologie, die Abkehr vom Glauben an einen unauflöslichen Zusammenhang von Form und technischer Funktion – all das, was in Hamiltons Aufsätzen anklingt, ist heute ein beachtlicher Beschreibungs- und Bewertungsgrundsatz entsprechender Kunstfreunde; allerdings wird von ihnen Richard Hamiltons Auflistung von hellen Pop-Eigenschaften manchmal ergänzt, etwa um düster / fanatisch / pornografisch / ironisch / dilettantisch (ohne dass durch diese Ergänzung sich die Waage wieder zur negativen Bewertungsseite neigen würde!).

Nicht immer durchgehalten wurde im Zuge dessen auch die Bindung von Pop an Popularität und Massenpublika. Viele Werke der Popliteratur, der Pop-Art, aber auch der Popmusik hätten ihren Namen nie bekommen, wenn die Merkmale »weite Verbreitung«, »große Beliebtheit« unverzichtbar für die jeweilige Pop-Bestimmung gewesen wären. Selbst die Erläuterung, dass die angesprochenen Werke auf Popularität und große Rezipientengruppen abzielten, in der Konkurrenz um Aufmerksamkeit und Kaufkraft aber unterlegen seien, kann daran nur teilweise etwas ändern. An Hamiltons Kriterium »young« kann man bereits ablesen, wie weit sich Pop von größerer, übergreifender Popularität und massenhafter Rezeption abzulösen vermag. Vor allem die von vielen Twens in den und seit den 1960er Jahren vollzogene Zusammenschau von Pop mit Hipness und Underground hat für diese Trennung von Pop und Popularität (zu schweigen von Volkstümlichkeit) gesorgt.

Mit dieser Anerkennung von Pop als avancierte Kultur ist der Aufstieg von Pop zu einer legitimen Kultur, die in Museen gesammelt, von Feuilletons beständig positiv rezensiert und von Führungskräften geschätzt und vorgezeigt wird, wesentlich vorangekommen. Deshalb haben sich nicht wenige Pop-Linke und Boheme-Vertreter bereits wieder von dem Wort verabschiedet. Dem negativen Klang, den der Einsilber bei ihnen mittlerweile hat, steht jedoch entgegen, dass Pop als bedeutender Allgemeinbegriff aus kaum einer gesellschaftlichen Sprachschicht mehr wegzudenken ist. Zwei Dimensionen sind dabei abschließend festzuhalten: Erstens ist bei den meisten Sprachteilnehmern die Bereitschaft vorhanden, Pop von Rock zu trennen; zweitens verbinden sie Pop über die Musik hinaus mit plakativen, oberflächlichen, reizvollen Phänomenen. Die Diskussionen, die rund um Pop etwa beim Aufkommen der Pop-Art in den 1960er Jahren oder (nach New Wave) des New Pop in den beginnenden 1980er Jahre in künstlerischen und intellektuellen Kreisen geführt worden sind – mit Richard Hamilton als Ahnherren –, haben hingegen außerhalb ihrer Sphären keinen semantischen Eindruck hinterlassen. Ihr (wichtiger) Einfluss ist strikt auf der Ebene der Wertigkeit zu suchen: Dass das Wörtchen »Pop« in vielen Fällen des heutigen Sprachgebrauchs nicht mit negativem Klang ausgesprochen wird, geht nicht zuletzt auf diese Debatten zurück.

2. Wissenschaftliche und essayistische Pop-Definitionen

Im Unterschied zur alltäglichen Kommunikation muss man in wissenschaftlichen Arbeiten (und oftmals auch in feuilletonistischen Essays) die Bedeutung eines Wortes nicht immer aus seinem Gebrauch erschließen. Wichtige Begriffe werden hier von den Autoren selbst auf eine Bedeutung hin ausdrücklich festgelegt. Dies geschieht zumeist in Form von Nominaldefinitionen.

Bei solchen Definitionen gibt es ein Definiendum (in unserem Fall: »Pop«), das durch ein Definiens bestimmt wird. Eine Definition ist – nach den Ausführungen von Tadeusz Pawlowski – eine »freie terminologische Entscheidung eines Autors«. Sieht man eine Aussage als eine Definition an, besitzt es darum keinen Sinn, »vom Autor zu verlangen, er solle uns Beobachtungen und empirische Fakten mitteilen, die diesen Satz rechtfertigen, und aufgrund derer er ihn als wahr akzeptiert.« Vollkommen willkürlich kann man in einer gegebenen Kultur allerdings nicht Definitionen anfertigen (z.B.: ›Pop ist der Krieg‹), es sei denn um den Preis, als Spinner (vielleicht aber auch, im selteneren positiven Fall, als tiefer, origineller Denker oder Mystiker) zu gelten. Pawlowski fügt denn auch an, dass die freie terminologische Entscheidung durch »Gründe der wissenschaftlichen Nützlichkeit des definierten Terms« begrenzt werde. Als wichtiges Ziel wissenschaftlicher Definitionen benennt er erstens, dass die Mehrdeutigkeit und Vagheit von Begriffen beseitigt und dadurch Missverständnisse und Fehler im kommunikativen Austausch vermieden, und zweitens, dass die Begriffe von ihren alltäglichen Bewertungen gelöst und dadurch ihr »Wert als Instrumente reiner Beschreibungen« wiederhergestellt werden (1980: 13, 75, 24).

Wie wird Pop aber nun definiert, was gegenwärtig als Definiens angegeben? Bei unserem Durchlauf richten wir unsere Aufmerksamkeit auf jene Definitionsvorschläge, die Pop auf eine Weise herausstellen, die einzelne Genres wie etwa Popmusik, Popliteratur, Pop-Art übersteigt. Beginnen wir mit David Grazians Buch »Mix It Up. Popular Culture« aus dem Jahr 2010. Grazian hält zuerst fest: »In common parlance, popular culture refers to the aesthetic products created and sold by profit-seeking firms operating in the global entertainment market – horror movies, reality television, dance music, fashion magazines, graphic novels, literary fiction, remote-controlled toys, fast-food-hamburgers, online video games« (Grazian 2010: 8). Egal ob das nun stimmt (was ich nicht glaube, denn das hieße ja, dass in der amerikanischen Alltagssprache jede Erinnerung an das Volkstümliche von »popular culture« getilgt wäre), interessant ist daran der Übergang von der allgemeinen Beschreibung zu den einzelnen Genres und Produkten. Erst wird »popular culture« im Sinne der »common parlance« weitgehend als Kulturindustrie festgehalten, dann folgt jedoch die Verengung auf bestimmte Phänomene (Opernaufnahmen, Theateraufführungen, Museumsaustellungen fallen z.B. offenkundig nicht darunter).

Bemerkenswert ist auch, dass Grazian »popular culture« und »pop culture« synonym gebraucht. Er gibt zwar keine Auskunft darüber, ob dies auch im gewöhnlichen Sprachgebrauch häufig der Fall ist, bei ihm selbst erfolgt der synonyme Gebrauch jedoch regelmäßig. Wenn er auch überwiegend (und im Untertitel seines Buches) von »popular culture« spricht, wechselt er den Begriff doch immer wieder mit »pop culture« ab. Dies ist im angloamerikanischen akademischen Bereich heute so üblich. Selbst wenn es um die Beatles, Madonna oder die Sex Pistols ging, war dort lange sogar überwiegend von »popular culture« die Rede (Ausnahme etwa: Frith/Horne 1987). Seit zwei Jahrzehnten ist immerhin der Synonymgebrauch verstärkt festzustellen. Dieser hat zur Folge, dass »pop culture« im Gefolge von »popular culture« oftmals sehr traditionell daherkommt, nämlich im Sinne von Massenkultur oder gar Volkskultur (Marcel Danesi noch 2008: »pop culture« sei »culture by the people and for the people«).

Grazian wiederum steht beispielhaft für die dritte Variante einer Konzeption, die zwischen »pop culture« und »popular culture« keinen Unterschied macht. Die dritte Variante besteht darin, verschiedene, gängige Definitionsbestandteile von Bestimmungen zur Massen- und Volkskultur zu übernehmen und zu kombinieren. Grazians Definition von »popular culture« bzw. »pop culture« lautet also: Erstens sei das eine Kultur, »that is […] well liked, and in a market economy that popularity is often best demonstrated through commercial success as measured by Nielsen ratings, video rentals, album sales, or box-office revenue.« Zweitens: »popular culture refers to icons or media that are globally ubiquitous and easily recognized (if perhaps disliked or mocked) the world over.« Drittens: »popular culture refers to commercial media thought to be tricky, tacky, and pitched to the lowest common denominator as mass culture intended for general consumption«. Viertens: »popular culture is associated with songs, dances, and other folk expressions belonging to the people under the guise of democratic populism and authenticity« (Grazian 2010: 9).

Wie man an einigen Ausdrücken (associate, refer) schon merken kann, nimmt Grazian seine Definition so vor, dass sie zum von ihm festgestellten Sprachgebrauch häufig passt. Nachdem er seine vier Bestimmungsmerkmale vorgelegt hat, resümiert er: »[W]e have discussed a variety of meanings and exemplars associated with popular culture in the interests of developing as inclusive a definition as possible« (ebd.: 10). Gemessen an diesem Anspruch, kann man seine Definition nur als gescheitert ansehen. Abgesehen davon, dass seine Bestimmung des gängigen Sprachgebrauchs widersprüchlich ist (unter Punkt vier tauchen auf einmal die volkstümlichen Elemente auf, die zuvor ausgeschlossen worden waren), fehlt in seiner Definition ein wichtiger Ansatz: Jene Rede über Pop, die auf die (mitunter) unpopulären, ›hippen‹ Züge abzielt.

Ignoriert man aber Grazians eigenen Anspruch, ist Grazians Definition erst einmal so gut oder schlecht wie jede andere. Es ist eben seine Festlegung, wie er den Begriff gebrauchen möchte. Für uns ist an dieser Stelle wichtig festzuhalten, dass Grazian, wie nicht wenige andere auch, »popular culture« und »pop culture« synonym verwendet und dass er dabei überwiegend Definitionsmerkmale nennt, die auf eine große Zahl an (ungebildeteren) Leuten hinauslaufen.

Zum Vergleich ein teilweise ähnlicher, deutscher Definitionsansatz von Christoph Jacke: Er versteht unter »Popkultur« (synonym redet er auch von »Pop«) den »kommerzialisierten, gesellschaftlichen Bereich, der Themen industriell produziert und massenmedial vermittelt, die durch zahlenmäßig überwiegende Bevölkerungsgruppen mit Vergnügen genutzt und weiterverarbeitet werden« (2009: 24f.). Im Gegensatz zu Grazian werden hier im letzten Teil des Definiens noch Positionen der Cultural Studies einbezogen und sind die Hinweise auf (weltweit) unterstellte Merkmale wie »tricky, tacky, and pitched to the lowest common denominator« gänzlich getilgt.

Anders setzen Definitionen an, die weniger mit Blick auf Kulturindustrie und Massenmedien, sondern stärker auf bestimmte Ausprägungen der Musik, bildenden Kunst, und des Designs gewonnen wurden, wie das etwa Mary Harron mit Blick auf Warhol, Sex Pistols, Boy George, Madonna, Smokey Robinson, MTV 1988 vorführte. Bei solchen zumeist jüngeren Autoren spielt der Begriff »popular culture« oftmals keine Rolle mehr. Meist schreiben sie von »pop culture« oder beschränken sich gleich auf »pop«. So auch Harron. Ihre Nominaldefinition lautet: »Pop stands for mutability and glitter. Its mode is the 45 single and the pinup, and its value is measured by record sales and the charts. Pop is about dreams and escapism and ecstatic moments; it believes in clichés and its philosophy is ›give the people what they want‹. It is egalitarian by nature – anyone can make it – and capitalist.« Im Sinne des Kunst-Aspekts von Pop klingt das jedoch an benachbarter Stelle gar nicht mehr so ekstatisch und volksfreundlich: »In pop, art is much more concerned with style and gesture (Roxy Music are the archetypal art pop band) and with the ironic use of pop history by switching between different eras and genres. Pop was postmodernist before the term was invented«. Und ganz ähnlich, ebenfalls in Absetzung von »rock«, aber ohne Kunst: »For pop, fun, energy, and glamor are enough; one must be moving when required, but it is not necessary to be ›authentic‹« (Harron 1988: 209, 208, 180).

Zurück gehen solche Definitionen auf die bekannten, bereits historischen Anmerkungen von Hamilton und Warhol sowie speziell auf Theoretiker des New Pop um 1980 wie Paul Morley und Ian Penman. Eine etwas systematischere Ausarbeitung solcher Ideen hat Dick Hebdige geleistet. Zwar sind seine Aussagen auf die historische Richtung der Pop-Art gemünzt, an entscheidenden Stellen seines 1983 erschienenen Aufsatzes »In Poor Taste: Notes on Pop« stehen jedoch Ausführungen zur Künstlichkeit und Oberflächlichkeit von Pop ([1983] 1988: 132, 136) sowie Zielvorgaben, die zugleich als Nominaldefinition von Pop dienen können (Rückbindungen an die Pop-Art machen es im englischen Sprachraum selbst Akademikern leichter, bloß von »Pop« zu schreiben): »[T]he true legacy of pop is not located in painting or purely academic analysis at all, but rather in graphics, fashion and popular music, in cultural and subcultural production«. Als deren wichtigstes Prinzip stellt Hebdige die »facetitious quotation« heraus, die er etwa in der »subcultural fashion« als »collage dressing« und vor allem in den »new musical genres, rap, dub, electronic ›soundscape‹ and ›constructed sound‹« am Werk sieht (ebd.: 142f.). In genau diesem Sinne auf deutscher Seite Diedrich Diederichsen (1982: 93): »Eine schöne Definition von Pop lieferte mir unfreiwillig die Zeitschrift ›Spex‹. In einem Verriß einer der größten Pop-Künstlerinnen, Debbie Harry, schreiben sie nörglerisch vorwurfsvoll: ›daß die Gruppe Stilelemente nie wirklich spielt, sondern nur benutzt‹. Eben.« Zeitgleich hält er als Charakteristikum der »Pop-Kultur« noch fest, dass sie »schneller und direkter reagiert als andere Kulturen« (1983: 167).

Knapp fünfzehn Jahre später gibt Diederichsen drei andere Elemente einer »deskriptiven Definition von Pop« an (den Begriff »Popkultur« vermeidet er nun gänzlich; s. als spätere Begründung dafür Diederichsen 2011: 80). Erstes Element: »Pop ist immer Transformation, im Sinne einer dynamischen Bewegung, bei der kulturelles Material und seine sozialen Bewegungen sich gegenseitig neu gestalten und bis dahin fixe Grenzen überschreiten: Klassengrenzen, ethnische Grenzen oder kulturelle Grenzen« (1996: 38f.). Dieses erste Merkmal ist bestens bekannt aus Bestimmungen der Pop-Art (etwa Rosenberg [1969] 1997); auf andere Künste wurde es etwa durch Susan Sontag ([1966] 1982: 346) und Leslie Fiedler (1969) übertragen. Diederichsen führt es nun im Sinne der Cultural Studies unter dem Pop-Titel soziologisch weiter. Andere glauben ebenfalls, dass die Unterscheidung zwischen High und Low »längst hinfällig« sei, führen diese Unterscheidung in ihren Pop-Begriff aber genau wieder ein, indem sie zwischen Pop im Sinne von »populär« (»alles von Modern Talking bis Phil Collins«) und Pop im Sinne von »avantgardistisch verstörend« (Red Krayola, Sex Pistols) trennen (Büsser 2001: 43ff.). In Diederichsens Aufsatz hingegen kommen unter »Pop« Modern Talking etc. gar nicht vor. Sein zweites Definitionselement: »Pop hat eine positive Beziehung zur wahrnehmbaren Seite der sie umgebenden Welt, ihren Tönen und Bildern« (1996: 39f.); gewonnen wird dieses Merkmal von Diederichsen nach Betrachtung der »Hippie-Pop-Revolutionäre« und anderer Kulturrevolutionäre aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Als drittes Element steht im Definiens: »Pop tritt als Geheimcode auf, der aber zugleich für alle zugänglich ist.« Mit Blick auf Warhol schwächt Diederichsen das aber sogleich ab: »zumindest scheinbar inklusiv« (ebd.: 40).

Andere Pop-Theoretiker setzen das »für alle zugänglich« von vornherein wesentlich schwächer an. Christian Höller erklärt »Hipness, Coolness, Avanciertheit oder Distinktion« zu den »zentrale[n] Popcharakteristika«, ohne die sich »Popkultur als Sammelbegriff«, der »eine immense Kollektion an Stilen, Moden und ›Strategemen‹ enthält«, kaum auf einen gemeinsamen Nenner bringen ließe. Er fügt freilich an, dass »Pop« durch »Image-Repertoires, Image-Aufbereitungen, Image-Verbrauch« heutzutage »in so vielen Bereichen wie Jugendkultur und Lifestyle-Industrie« anzutreffen sei, dass Hipness, Coolness etc. zu »relativ leicht verfügbaren und damit im Grunde beliebig einsetzbaren ›Tokens‹ im kulturellen Identitätswettlauf geworden sind« (Höller 2002: 82). Auch Gabriele Klein situiert »Pop« in Abgrenzung zu jenem Populären, das für sie »eine allgemeine Bekanntheit und Beliebtheit von kulturellen Objekten, die im Unterschied zur ›anspruchsvollen‹ Kultur eher ›niveaulos‹ scheint«, bedeutet. Freilich setzt sie ›Avanciertheit‹ weitaus weniger ›hip‹ an als Höller. »Popkulturen« sind für sie »das Ergebnis des Zusammenhangs von Produktion und Aneignung, von Kulturindustrien und Alltagsleben« (Klein 1999: 293, 295).

Verbunden sind solche Pop-Definitionen (auch und gerade in Absetzung von »populärer Kultur«, zu schweigen von »Volkskultur«) oftmals mit historischen Eingrenzungen. Üblich ist es, Pop und/oder Popkultur in den 1950er (Rock ’n’ Roll, in Bewegung geratender amerikanischer Radio- und Musikindustriesektor, TV, Teenager, Wohlstandsgesellschaft) oder 1960er Jahren (Warhol und Beatles, Swinging London und Counter Culture) beginnen zu lassen. Einige andere definitive Startpunkte findet man jedoch auch. Originell etwa Diederichsens früher, aber auch von ihm selbst nicht weiter verfolgter Vorschlag: »Was ist Pop? Im weitesten Sinne: Bertolt Brecht, Free Jazz am Anfang, Gesang in 3 Minuten, Jazz der 40er – Momente von Kunst ohne Mühseligkeit« (1982: 93). Chris Rojek – einer der wenigen angloamerikanischen Akademiker, der bewusst »popular culture« von »pop culture« unterscheidet –, setzt neuerdings »pop culture« (und besonders Popmusik) in den 1990er Jahren mit der Entwicklung und Durchsetzung von »sampling, sequencing, social network sharing and unauthorized downloading« sowie »laptop and mobile phone« an (2011: 2ff.).

Zu unterscheiden sind die in Nominaldefinitionen untergebrachten Zeitangaben von solchen, die in historischen Bilanzen vorgenommen werden (z.B. wenn man angibt, dass für die Popkultur das Internet seit 1995 zu einer wichtigen Distributionsform, mit großen Auswirkungen auch auf die Produktion der Popkultur, geworden sei). Zur Erinnerung: Nominaldefinitionen bieten die »freie terminologische Entscheidung eines Autors« (Pawlowski 1980: 13). Verstehen kann man die gerade gelieferte Aussage demnach nur dann genau, wenn man über eine Nominaldefinition von Popkultur (und natürlich auch von »Internet«, »Distributionsform« etc.) verfügt. Eine Nominaldefinition kann so oder so ausfallen, je nach Belieben des Autors; sie kann man nur abändern, sprich: durch eine andere Nominaldefinition ersetzen, nicht aber widerlegen. Die gerade getroffene Aussage (dass das Internet seit 1995 von großer Bedeutung für die Distribution wie Produktion der Popkultur sei) hingegen ist als »empirische Verallgemeinerung«, die man »aufgrund gegebener Erfahrungen akzeptiert oder verwirft«, überhaupt nicht ins Belieben des einzelnen Autors gestellt, sondern wissenschaftlicher Überprüfung ausgesetzt (ebd.: 28f.).

3. Diskussion

Doch zurück zur Nominaldefinition. Hier noch einige weitere Beispiele zur Bestimmung von Pop und/oder Popkultur. Es handelt sich nun um Nominaldefinitionen, die gegenwärtig nicht über so viele Anhänger verfügen wie die meisten bislang angeführten Bestimmungen:

– »Pop ist Teil des Problems als dessen Lösung er sich anbietet; er ist die kitschige Oberfläche des Spätkapitalismus und geriert sich zugleich als das ebenfalls kitschige Unternehmen, dessen Oberfläche beständig zu durchbrechen, als Ideologie des schönen Lebens« (Behrens 2003: 10).

– »Pop-Culture ist eine hedonische Kultur« (Jank 2009: 83).

– »Mit der Pop-Kultur kommt eine wichtige Funktion der populären Kultur zum Vorschein: die Artikulation von Frustrationen, die Suche nach alternativen Lebensentwürfen, die kollektive Identitätsstiftung« (Agard/Helmreich/Vinckel-Roisin 2011: 29).

– »›The end of history‹, the triumph of liberal democracy and of the market so massified it achieved immanence: this is the idea pop had been waiting for since its beginning« (Clover 2009: 118).

Zwar könnten noch viele weitere Pop-Definitionen angeführt werden, die bisher zitierten Bestimmungen sollten aber für unsere Zwecke wirklich genügen. Schon jetzt stellt sich ja angesichts der Fülle unterschiedlicher Nominaldefinitionen unabweisbar die Frage, welche man vorziehen soll. Und es stellt sich auch mit einigem Nachdruck die Frage, nach welchem Kriterium man denn seinen Vorzug vornehmen oder gar begründen soll. Zumindest innerhalb der Wissenschaften gibt es eine Art Standard. Pawlowskis von vielen geteilte Ansicht, die Ziele wissenschaftlicher Definitionen bestünden darin, dass erstens die Mehrdeutigkeit und Vagheit von Begriffen beseitigt und zweitens die an ihnen möglicherweise haftenden alltäglichen Bewertungen abgestreift würden, hatte ich bereits aufgerufen. Nach dieser Maßgabe haben also auch oder sogar gerade die bislang alltäglich und/oder feuilletonistisch wenig durchgesetzten und verbreiteten Bestimmungen eine gute Chance, wissenschaftlich akzeptiert zu werden.

Um mit dem zweiten Kriterium anzufangen: Daran gemessen, können alle bislang angegebenen Definitionen bestehen, wohl selbst die von Behrens (als Vertreter der kritischen Theorie lehnt er ohnehin die Verbindung von Wissenschaft und Werturteilsfreiheit ab, deshalb träfe ihn ein entsprechender Einwand bloß auf für ihn falsche Weise). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die oft hochgradig ideologisch und wertungsästhetisch aufgeladenen Begriffe des Definiens deutlich als deskriptive Termini ausgegeben werden, man also ausdrücklich festhält, dass man das Hedonistische, Massenhafte, Kitschige, Coole etc. an sich weder als etwas Gutes oder Schlechtes ansieht.

Noch voraussetzungsreicher ist es in einigen Fällen, das erste Kriterium der begrifflichen Klarheit zu erfüllen. Nicht wenige der gebrauchten erläuternden Begriffe – wie etwa Coolness und Kitsch – müssten separat definiert werden. Dies ist aber selbstverständlich möglich. Zur Klarheit gehört allerdings ebenfalls, dass eine Abgrenzung von anderen Begriffen, besonders von Nachbarbegriffen, gewährleistet ist. Hier besitzen viele der vorgelegten Definitionen erhebliche, nicht behebbare Schwächen (zumindest aus besagter wissenschaftlicher Perspektive). Einige Definitionen sind brauchbar als Angaben zu massenmedialen und/oder kulturindustriellen Phänomenen insgesamt, nicht aber zu Pop-Gegenständen, es sei denn, man wollte auch die »Tagesschau«, »Der Alte«, Bücher von Frank Schätzing, den »Stern«, viel angeklickte Hunde-Videos auf YouTube etc. als Pop reklamieren. Das Gleiche gilt für die Bestimmung des Pop als »Kunst ohne Mühseligkeit«, als das »Hedonische«, als »Artikulation von Frustrationen«, als das der »Coolness, Hipness« Verpflichtete etc. Auch in all diesen Fällen wäre ungemein vieles Pop, das niemand bislang als solches bezeichnet hätte – und wäre umgekehrt vieles nicht unter Pop subsumierbar, dass wahrscheinlich niemand (wohl auch die jeweiligen Definitionsgeber) dort ausschließen möchte (die Beatles z.B. sind schon sehr lange nicht mehr hip, Katy Perry war es nie, sie sind aber dennoch für alle Welt weiter Pop-Phänomene, oder?). Nicht zuletzt sind auch alle Definitionen fragwürdig, die Pop und/oder Popkultur sehr nahe an Populär- oder Massenkultur oder an Medienkultur heranrücken; wenn Pop recht besehen nur als Kürzel für Letztere verwandt wird, braucht man schlicht und einfach keine eigene Pop-Definition.

4. Eigene Definition

Wegen der skizzierten Schwierigkeiten möchte ich eine eigene Pop-Definition ins Spiel bringen, die diese umgeht oder auflöst. Ausführlich nachzulesen ist meine Nominaldefinition in einem Aufsatz unter dem Titel »Pop-Konzepte der Gegenwart« in Heft 1 der Zeitschrift »Pop« im Transcript Verlag. Abschließend will ich sie hier kurz vorstellen. Sie besteht aus der Angabe von sieben unverzichtbaren Pop-Merkmalen: 1. Oberflächlichkeit, 2. Funktionalismus, 3. Konsumismus, 4. Äußerlichkeit, 5. Immanenz, 6. Künstlichkeit, 7. Stilverbund:

1. Oberflächlichkeit meint dabei lediglich, dass Pop aus dekorativ gestalteten Oberflächen besteht, ungeachtet der technischen Funktion des Gegenstands. Poppig – das heißt in diesem Zusammenhang: Die Oberflächen des Pop sind vorzugsweise geschlossen; selten verlaufen oder vermischen sich die Farben und Muster.

2. Funktional ist Pop in anderer Hinsicht ausgerichtet: das Ziel ist, für Belebung zu sorgen, angenehm zu erregen, den Körper in Bewegung zu setzen, Attraktivität zu erhöhen und eine nette, heitere Stimmung oder eine coole Haltung zu bewirken.

3. Pop ist mit Konsum innig verbunden. Sich unterhalten zu lassen ist mindestens genauso viel wert wie das aktive Leben. Konsumieren ist zudem ein Pop-Kennzeichen, weil es im Gegensatz dazu steht, sich rauschhaft verzehren zu lassen. Die Ekstase zählt allenfalls vorübergehend einmal zur Pop-Welt – als Samstagnachtphänomen.

4. Pop hält sich strikt an das äußerlich, sinnlich Gegebene.

5. Anders pointiert, bedeutet das: Pop kann mit der Werbung oder den großen Bühnenshows, die sich aus dem historischen literarischen, mythologischen Fundus bedienen, etwas anfangen, weil es manchmal deren Gestaltung schätzt, nicht deren Bestreben, etwas über das Hör- und Sichtbare Hinausgehendes zu behaupten.

6. Pop kann mit dem Natürlichen nichts anfangen, außer es zu elektrifizieren, im Studio bewusst aufzusplitten, digital zu modellieren etc.

7. Ein Pop-Gegenstand kommt niemals allein. Der Musikstil z.B. ist mit einer Frisur, einer Hose, einem Auto, einer Attitüde auf eine Weise verbunden, die einen zwingenden Zusammenhang herstellen soll.

5. Schluss

Bisher ist bei der Beurteilung von Pop-Definitionen nur von gängigen wissenschaftlichen Kriterien zu ihrer Beurteilung gesprochen worden. Verlässt man den universitären Bereich, müssen diese Maßstäbe selbstverständlich nicht automatisch an Geltung und Bedeutung verlieren. Erweitert werden können sie aber, vor allem um das Kriterium der Originalität. Dieses Kriterium ist auch in den Wissenschaften keineswegs ohne Belang, seine Erfüllung zählt dort aber meist nicht zur Standardanforderung. Größeren Rang besitzt es im Feuilleton und in provokant oder geistreich zugespitzter Alltagskommunikation. Dort sind auch und manchmal gerade jene Definitionen gefragt, die sich schwerlich an vielen Orten durchsetzen lassen und die auf den ersten Blick merkwürdig, paradox, einseitig, verstiegen, rechthaberisch erscheinen – und es bei genauerer Betrachtung oftmals tatsächlich auch sind. Dennoch sind sie mitunter wichtig, um die Diskussion weiterzutreiben und neue Beschreibungen und Wertungen zu ermöglichen und durchzusetzen.


Literatur

Agard/Olivier/Helmreich, Christian/Vinckel-Roisin, Hélène (2011): »Einleitung«, in: Dies. (Hg.): Das Populäre. Untersuchungen zu Interaktionen und Differenzierungsstrategien in Literatur, Kultur und Sprache, Göttingen, S. 11-33.
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